Nostalgie und Retro sind IN. Wie aber wohnten die Leute vor 100 Jahren wirklich und welche bedeutsamen Stile prägte diese Zeit?
100 Jahre zuvor – Wohnen in einer bewegten Zeit
Vor 100 Jahren lag der 1. Weltkrieg nur ein Jahr zurück. Die Zeit war von Umbrüchen und neuen Ideen geprägt. Die meisten Menschen mussten sich mit wenig Raum begnügen. Zimmer und Küche mussten für viele Familien reichen. Mehr Raum hatten die Familien des gehobenen Bürgertums. Wohnzimmer und Esszimmer waren dem Essen und besonderen Anlässen vorbehalten. Gab es kein Hauspersonal, war die Küche das Wohnzentrum. Das Wohnen vor 100 Jahren war für unsere Vorstellungen bescheidener. Geheizt wurde mit Kohleöfen. Vorgänger des Kühlschranks waren Speisekammer, Keller und Steinguttöpfe.
Möbel wurden für Generationen gebaut.
Selbst wohlhabende Familie waren vorwiegend mit ererbten Möbeln eingerichtet. Dabei handelte es sich meist um einige antike Möbel und Möbel im Jugendstil, der prägenden Stilrichtung bis in die 1920er Jahre. Furnierte Möbel und Holzdekore gab es noch nicht. Möbel wurden aus Massivholz, schön poliert und einfach aus lackierten, minderwertigen Hölzern gefertigt. Möbel selbst zu bauen war kein Hobby, sondern für einfache Leute ein Erfordernis. Aus alten, kaputten Möbeln wurden einfach neue gefertigt.
Video: Leben wie vor 100 Jahren – Filmbildsendung – Florian Schmitz
Neue Einflüsse von Kunst und Kultur auf das Wohnen
Es waren zuvorderst nicht Möbeldesigner und Möbelhersteller, sondern Künstler, die zu Schöpfern neuer Wohnstile wurden. 1925 erlebte auf der Pariser Kunstgewerbeausstellung „Art Deco„ einen Triumpf. Damit nahmen funktionale Designs und eine überraschende Farbenvielfalt Einzug in die Wohngestaltung. Art Deco war geprägt von Stilrichtungen Funktionalismus und Futurismus. Die Schöpfung dieser Stilrichtung ging einher mit dem Drang nach Freiheit in Kunst und Kultur, der Wegbereitung für neue Lebens- und Wohnstile. Typisch für Art Deco Möbel war:
- Ideenvielfalt
- Intensive Farben, plakative Muster für Wohntextilien und Polster
- Geometrische Formen
Gefragt war Außergewöhnliches. Geschaffen wurden ausgefallene Tischgestelle mit mehrteiligen Mittelfüßen oder Säulen, Kommoden mit abgesenktem Mittelteil, viertelrunde Schreibtische und mehr. Vorrangig war die Freiheit der Designs. Es gab keine engen Stilmerkmale, das Besondere zählte. Damit hat der Stil Art Deco bis heute das Denken und Schaffen großer Möbeldesigner geprägt. Ohne diese Entwicklung wäre der Weg für die vielen verschiedenen Design-Richtungen nicht frei geworden.
Bauhaus – Kunst der Avantgarde und Moderne
Bedeutsam war die Kunstschule Bauhaus. 1919 von Walter Gropius gegründet, prägte sie herausragende Möbeldesigns und wurde zu einem Markstein des 20. Jahrhunderts. 1933 wurde das Bauhaus von den Nationalsozialisten geschlossen. Die Abwendung von der akademischen Ausrichtung hin zu handwerklichen Strukturen bewirkte auch Stilrichtungen des Industrie-Designs.
Merkmale der Bauhaus–Möbeldesigns waren Funktionalität, Sachlichkeit und außergewöhnliche Formgebung. Aus dem Bauhaus gingen bedeutsame Designer für Möbel und Wohnaccessoires hervor wie Erich Diekmann, Christian Dell, Marcel Breuer oder van der Rohe, der Schöpfer des Freischwingers. In der Praxis war das Wohnen vor 100 Jahren natürlich nur geringfügig von den neuen Design-Bewegungen geprägt. Weder gab es für herausragende Designs noch nicht die schnelle Massenproduktion noch einen großen Markt von zahlungskräftigen Kunden. Zwar war die Zeit von Aufbruch geprägt, das tägliche Leben jedoch von Unruhen, Inflation, Weltwirtschaftskrise und Mangelwirtschaft. Verbreitet gab es die bedeutenden Design-Stile für Wohnen vor 100 Jahren noch nicht. Gefragt sind die großartigen Möbel aber bis heute.
Designs vor 100 Jahren und moderne Wohnwelten
Kunst- und Designrichtungen wie Art Deco oder Bauhaus gelten als Wegbereiter für die Freiheit und Vielfalt modernen Wohnens. Für nur wenige Menschen spielten die bahnbrechenden Stilrichtungen für das Wohnen vor 100 Jahren eine Rolle. Für das gesamte 20. Jahrhundert und bis heute sind sie bedeutsam.
Titelbild: ©iStock – iliGraphie
Klaus Peters
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